Timon (18) schaut nachdenklich den Baum an, den er gerade in den Händen hält. Er setzt seinen Fuchsschwanz an und sägt die kniehohe Fichte nahe am Boden ab.«Das Zaunbauen hat mir besonders gut gefallen, viel besser als das Baumfällen. Etwas gemeinsam zu bauen und Sinnhaftes zu hinterlassen, ist ein schönes Gefühl. Aber ich verstehe auch, dass wir Bäume fällen und die kleinen Fichten entfernen müssen, damit andere Baumsorten mehr Platz und Licht erhalten. Nur so kann der Wald auch in Zukunft die für uns Menschen wichtige Schutzfunktion erfüllen.»
Timon ist einer der 19 Lernenden des Migros Genossenschafts Bund in Zürich, der an dieser Waldprojektwoche im Prättigau teilnimmt. Die Jugendlichen fällen die vom Förster markierten Bäume, errichten Wildschutzzäune und bauen alte Zäune ab, die ihren Schutzzweck erfüllt haben.
Mit diesen Arbeiten direkt verbunden ist das Thema Klimawandel. Dyiar (17) erklärt am Fällplatz den Hintergrund: «Wir fällen besonders Fichten, Birken und Buchen, damit Linden, Weisstannen und Lärchen hier besser wachsen können. Einerseits ist ein gut durchmischter Wald resistenter gegenüber Schädlingen, andererseits fördern wir damit jene Baumarten wie die Linde, welche dem Klimawandel besser begegnen können.»
«Etwas gemeinsam zu bauen und Sinnhaftes zu hinterlassen, ist ein schönes Gefühl.»
Timon Hüppi (18), Lernender bei Migros-Genossenschafts-Bund
Schutz für den Baumkindergarten
Besonders auf den Arbeitsplätzen in den höheren Lagen treffen die Jugendlichen im Wald fast ausschliesslich Fichten an. «Die Fichte mögen die Hirsche nicht besonders», weiss Nils (17), «die spitzen Nadeln dienen der Fichte als Fressschutz, deswegen hat es hier auch so viele. Also schneiden wir die kleinen Fichten ab, so dass andere Baumarten wie Weisstanne, Bergahorn oder Lärche auch mehr Platz haben. Und damit diese nicht gleich wieder gefressen werden, bauen wir hohe Wildschutzzäune rundherum. Das sieht aus wie ein Baumkindergarten.»
Thomas Knöpfel ist seit rund einem Jahr der begleitende Lehrlingsverantwortliche der Jugendlichen. Er möchte die Waldprojektwochen mit der Bildungswerkstatt Bergwald auch in Zukunft weiterhin durchführen. «Vor einigen Wochen habe ich an der Lehrabschlussfeier mit einigen Lehrabgänger*innen gesprochen. Als ich sie nach dem Highlight ihrer Lehrzeit gefragt habe, haben sie von der Waldprojektwoche zu erzählen begonnen. Man spürt den Stolz auf die geleistete Arbeit und den Durchhaltewillen, welchen sie während dieser Woche zeigen mussten.»
Mit der Durchführung der Waldprojektwoche möchte Knöpfel die Lernenden auf physischer und psychischer Ebene fordern. «Sie dürfen ihre eigenen Grenzen während dieser Woche kennen lernen. Strenge körperliche Arbeit und fehlende Rückzugsmöglichkeiten sind für alle eine grosse Herausforderung. Besonders jetzt gegen Ende der Woche spürt man die Erschöpfung.»
Ob die Woche Spass gemacht hat? Timon fasst es gut zusammen: «Im Verlauf des Tages musste ich schon ab und zu kämpfen oder hatte echt keine Lust. Aber wenn ich dann abends an das gedacht habe, was ich geleistet hatte, dann ist das schon auch ein tolles Gefühl.» Ob sie die Woche weiterempfehlen würden? Die Jugendlichen nicken und sind sich einig, dass die Woche ihnen viel gebracht hat. Sie hätten vorher keine Ahnung gehabt, wie streng die Waldarbeit ist - und vor allem wie wichtig. Viel Respekt hätten sie vor den Menschen, welche das ganze Jahr über im Wald arbeiten, bei jedem Wetter und körperlich deutlich mehr gefordert sind, als sie es im Büro je sein würden.
«Aber stolz bin ich schon ein bisschen darauf, was ich diese Woche geleistet habe», meint Nils. «Und so eine Axt würde ich schon sehr gerne mitnehmen, jetzt wo ich weiss wie Bäume fällen,» sagt er mit einem Zwinkern.