Wie unterscheiden sich Begegnungswochen von anderen Integrations-Projekten?
S. Aeschlimann: Das Projekt «Begegnungswoche» ist für uns einzigartig. Noch nie hatten wir so ein intensives Projekt, das eine solch tiefgreifende Begegnung ermöglicht. Üblicherweise organisieren wir tageweise Begegnungsmöglichkeiten mit Schulen. Deshalb war eine Woche lang gemeinsam zu arbeiten, zu kochen und zu wohnen sowohl für uns Betreuungspersonen, als auch für die Jugendlichen neu.
Frau Weber, Sie haben beide Begegnungswochen als Betreuungsperson begleitet: Wie haben Sie die unbegleiteten minderjährige Geflüchteten während dieser Woche wahrgenommen?
T. Weber: Die Jugendlichen waren unglaublich offen und neugierig. Sie waren sehr am Knüpfen von Kontakten interessiert und verrieten mir im Nachhinein, dass sie es toll fanden, Deutsch sprechen «zu müssen». Sie hatten dadurch sogar untereinander während dieser Woche oft Deutsch gesprochen, damit die Schweizer Jugendlichen sich nicht ausgeschlossen fühlen.
In einer Lagerwoche war der Zusammenhalt der beiden Klassen bereits am zweiten Tag enorm gross. Es wurde engagiert miteinander auf ein gemeinsames Ziel hingearbeitet und am Abend in der Gruppe gekocht.
Was macht eine erfolgreiche Durchführung und ein tolles Angebot aus?
S. Aeschlimann: Eine gute Kommunikation und struk- turierte Vorbereitung sind essentiell. Das hat in Zusam- menarbeit mit der Bildungswerkstatt Bergwald sehr gut funktioniert. Als Institution mit begrenzten Ressourcen ist es für uns wichtig, dass wir mit wenig Papieraufwand eine erfolgreiche Lagerwoche durchführen können – und ich denke, das ist mit der Begegnungswoche gelungen.
Was hat euch besonders überrascht?
T. Weber: Der Zusammenhalt und Respekt unter den Ju- gendlichen! Es war sehr berührend, wie sie auch bei He- rausforderungen nicht aufgegeben haben und sich ge- genseitig motivierten.
Und jetzt zu beobachten, wie sie nach dieser Woche selbstständiger, zufriedener und offener sind. Denn diese beidseitige Offenheit ist enorm wertvoll für eine ge- lungene Integration.
S. Aeschlimann: Mich hat positiv überrascht, dass beide Lager so gut funktioniert haben. Dass alle Jugendlichen und Begleitpersonen sich beim Zurückkommen einig waren: «Das war eine richtig tolle Sache!»
Stimmen zum Projekt Begegnungswochen
Aus dem Erfahrungsschatz der Bildungswerkstatt
Kaspar Zürcher, Geschäftsleiter der Bildungswerkstatt Bergwald
Eine Begegnungswoche bietet allen Beteiligten die Chance, sich auf Unbekanntes einzulassen und sich dadurch bereichern zu lassen.
Nach sechs Begegnungswochen habe ich viel Vertrauen in dieses Projekt gewonnen. Ich wünsche mir, dass wir immer wieder Gelegenheiten schaffen, in denen echte Begegnung im Zentrum steht: Wo Menschen ihren unterschiedlichen Hintergrund miteinander teilen.
Gasim Nasirov, Fachmann für Integration und Migration. Mitinitiator der Begegnungswochen
Aus meiner eigenen Erfahrung als Flüchtling weiss ich, wie wichtig der Kontakt mit Einheimischen ist. In den Begegnungswochen arbeiten und leben die gleichaltrigen Jugendlichen mit unterschiedlichsten Lebensrealitäten zusammen, entwickeln ein gegenseitiges Verständnis und wachsen daran als Gemeinschaft. Der Spracherwerb passiert darüber hinaus ganz nebenbei.
Für die Zukunft wünsche ich mir, dass unser Angebot insbesondere von kantonalen Bildungsdirektionen beworben wird. Mit offizieller Unterstützung könnten wir deutlich mehr Klassen erreichen und den Jugendlichen das Kennenlernen von anderen Sprachen und Kulturen ermöglichen.
Jannis Schwärzli, Gruppenleiter bei der Bildungswerkstatt Bergwald
Im Rahmen meiner Masterarbeit habe ich untersucht, welchen Beitrag die Waldprojektwochen zur Rassismusprävention leisten können. Während drei Wochen habe ich als Mitarbeiter der BWBW die Klassen begleitet und mit den Jugendlichen Interviews geführt.
Überrascht hatten mich die intensiven Beziehungen, welche entstanden. Immer wieder war ich überwältigt, wie sehr die Jugendlichen aus sich herauskamen, aufeinander zugingen und sich auch verletzlich zeigten.
Es gab unzählige Momente in den Begegnungswochen, wo ich innegehalten habe und dachte: «Eigentlich ist es so einfach!» Menschen begegnen sich mit gegenseitigem Respekt auf Augenhöhe, bauen Vorurteile ab und leben Solidariät.